Zusammen statt gegeneinander: 6 Dinge, die im VDC-Framework anders sind als bisher
Virtual Design and Construction (VDC) ist nicht nur ein neues Framework, das beim Bauen angewendet wird, sondern erfordert auch ein neues Mindset all jener, die damit arbeiten. 6 Punkte, die diese neuen Denkweisen beschreiben.
1. Alles ist an einem Ort
Der Austausch von Informationen ist bei Bauprojekten zentral: Wer liefert wem wann was wofür? Wie viele Balken und Backsteine braucht es, welche Berechnungen sind nötig? Diese Informationen fliessen zwischen verschiedenen Einheiten: der Architektin, dem Bauingenieur, der Bauleiterin, dem Baumeister. Seit rund 40 Jahren basiert dieser Informationsaustausch zwar bereits auf digitalen Mitteln, nach wie vor werden sie aber getrennt, in eine Abfolge gebracht und von der jeweiligen Einheit separat bearbeitet: Die Architektin zeichnet einen Plan, der Statiker nimmt diesen Plan und erstellt einen eigenen, dieser wiederum geht an den Baumeister, der selber wieder neue Unterlagen nach seinen spezifischen Anforderungen erstellt. Mit VDC geht man einen Schritt weiter: Alle Informationen werden in digitalen Fachmodellen erstellt, die untereinander koordiniert sind und ein gemeinsames dreidimensionales Bauwerksmodell ergeben. Die Informationen liegen damit in einer integrierten Form transparent und für alle gleichzeitig verfügbar vor.
2. Alle sitzen am gleichen Tisch
Die Spezialisierung bei Bauprojekten hat enorme Dimensionen angenommen. Aussagen wie «Heute braucht es allein drei verschiedene Fachpersonen, um einen Parkett zu verlegen», sind nicht nur plakativ, sondern zeigen auch die hohe Fragmentierung und Spezialisierung der Branche. Der hohe Grad der Spezialisierung fördert zwar eine qualitätsvolle und rasche Realisierung der einzelnen Elemente (z.B. Verlegung Sockelleisten des Parkettbelages), schafft aber auch neue Schwierigkeiten, wenn die einzelnen Arbeitsgattungen nicht optimal zusammenarbeiten und damit die Elemente nicht aufeinanderpassen. Die Folge davon: Die Produktivität und die Qualität auf der Baustelle sinken.
Bei der Anwendung des VDC-Frameworks dagegen setzen sich Architektinnen, involvierte Ingenieure, Ausführende sowie Auftraggebende zusammen an einen Tisch und besprechen die Anforderungen des Bauwerkes. Sie entwickeln gemeinsam Herangehensweisen und reflektieren die Inputs aus verschiedenen Perspektiven. Die Architektin erstellt als Basis für die weitere Bearbeitung das Architekturmodell. Darauf abgestimmt erstellen die weiteren Beteiligten ihre Fachmodelle und gemeinsam entsteht damit das digitales Bauwerksmodell, welches der Planung und Realisation des Bauwerkes dient und auch die nötigen Informationen für die zu fällenden Entscheide während des Planung- und Bauprozesse enthält. Bei VDC-Projekten gibt es keinen Bruch mehr zwischen den einzelnen Planungsschritten, das Projekt ist voll integriert: Informationen, Organisation und Prozesse sind auf das gemeinsam festgelegt Ziel ausgerichtet und aufeinander abgestimmt.
3. Ein gutes Projektmanagement als Schlüssel zum Erfolg
Heute fehlt das Erlernen eines gelungenen und umfassenden Projektmanagements als Ziel in den meisten Architektur- und Bauingenieurs-Ausbildungen. «Die Leute sind zwar alle technisch hoch kompetent, aber sie lernen nicht, wie man einen Konsens findet, wenn das architektonische Konzept nicht mit dem Tragwerksentwurf zusammenpasst», sagt Peter Scherer, Leiter MAS Digitales Bauen an der FHNW. Für VDC-Projekte braucht es aber kompetente Gesamtleiterinnen und Gesamtleiter, die das Interesse eines Bauprojektes wahren und gleichzeitig auch auf produktive Teamprozesse achten. Es braucht technische Kompetenzen im digitalen Bau, methodische Kompetenzen in der Organisation und Zusammenarbeitsgestaltung und schliesslich auch soziale Kompetenzen für die Teambildung und die interdisziplinäre Führung.
4. Die Psychologie arbeitet auf der Baustelle mit
Zusammenarbeit heisst: Verschiedene Menschen treffen aufeinander. Das birgt zwischenmenschliche Konflikte. Deshalb braucht es ein feines Sensorium für die zwischenmenschlichen Herausforderungen in einem Team: Unter welchen Bedingungen arbeiten Menschen gut zusammen? Wie muss ein Team zusammengesetzt sein, damit die Mitglieder zusammenarbeiten können? Studierende, die sich mit VDC befassen, müssen in der Organisationspsychologie genauso geschult werden, wie in interkultureller Zusammenarbeit und in Kommunikationsstrategien. Die FHNW ist die erste Hochschule in der Schweiz und im umliegenden deutschsprachigen Ausland, die neben technischen auch soziale Aspekte gleichwertig in die Aus- und Weiterbildung des digitalen Bauens integriert.
5. Nur eins ist wichtig: Das beste Projekt
Die hohe Fragmentierung der Spezialisten auf der Baustelle hat nicht nur kommunikative und planerische Fallstricke, sondern ist auch für die Motivation des Einzelnen hinderlich. Oder wieder plakativ ausgedrückt: «Was kümmern die Architektin die Probleme des Statikers oder Bodenlegers?» Das Ziel sollte es immer sein, das bestmögliche Projekt zu entwickeln und zu realisieren. Dies verlangt, dass alle Entscheidungen im Sinne des Projekts und nicht im Eigeninteresse getroffen werden. In VDC-Projekten sind alle Beteiligten am Ergebnis und an dessen Erfolg interessiert und orientieren sich im Sinne des Leitgedankens «best for project» immer an der bestmöglichen Lösung.
6. Mit dem fertigen Bau fängt die Arbeit erst an
Ein fertiges Bauwerk ist für alle Projektbeteiligten wohl das grösste Highlight. Doch es ist nicht das Ende der architektonischen, planerischen und baulichen Arbeit. Diese geht nämlich künftig über das fertiggestellte Projekt hinaus und betrifft auch die kompetente Bestellung und später die Bewirtschaftung des Projekts über seine gesamte Lebensdauer. Der Blick wird von Anfang an auf den gesamten Lebenszyklus des Projekts gerichtet – und geht vom Aufrichten bis zum Rückbau.